Keine Haftungsbeschränkung

Mit den Folgen einer Verletzung der Lehrerinnen und Lehrern obliegenden Verpflichtungen, für die geistige, körperliche und charakterliche Erziehung der Schüler und Schülerinnen zu sorgen sowie sie in rechtlich und tatsächlich möglichem und zumutbarem Umfang im Schulbetrieb und während der Schulveranstaltung vor Schäden an Gesundheit und Vermögen zu bewahren, hat sich der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 04.04.2019 (III ZR 35/18) befasst.

 

Gestritten wurde über einen Schadensersatzanspruch eines Schülers in Folge eines Unfalls im Sportunterricht. Streitig war, ob der Schüler in Folge eines Unterlassens der rechtzeitigen Nothilfe durch einen Sportlehrer einen Schaden erlitten hatte, für den das Land einstehen muss.

Im Verfahren wurde einerseits darüber gestritten, ob die Darlegungs- und Beweislast dem Klagenden oder dem Beklagten obliegt. Anders als bei Ärztinnen und Ärzten sieht der Bundesgerichtshof das Versäumnis von Lehrerinnen und Lehrern in einer überraschenden Notsituation bzw. einem Unglücksfall zu handeln, nicht als mit einem ärztlichen Pflichtverstoß vergleichbar an. In den Fällen der Ärztinnen und Ärzte handele es sich bei der Verpflichtung zur Nothilfe um eine Hauptleistungspflicht, für Lehrerinnen und Lehrern um eine Nebenpflicht. Eine Verletzung dieser Nebenpflicht rechtfertige es nicht, die Beweislast für typischerweise streitige Abläufe auf die Lehrerin bzw. den Lehrer oder den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber zu verlagern. Auch in Fällen der Verletzung einer Amtspflicht durch Unterlassen soll dem Geschädigten eine Beweiserleichterung zu Gute kommen können, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang (zwischen Untätigkeit und Schaden) besteht.

Streitig war andererseits, ob der Dienstherr bzw. Arbeitgeber einer Lehrerin bzw. eines Lehrers in solchen Fällen nur für ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Lehrerin bzw. des Lehrers haftetl. Selbst wenn man annehmen würde, dass die Voraussetzungen einer „Notgeschäftsführung“ in den Fällen der unterlassenen Nothilfe vorliegen würde, könne dies im Anwendungsbereich des § 839 BGB zu keiner Haftungsbeschränkung führen. Wenn der Staat Schüler und Schülerinnen zur Teilnahme am Sportunterrichtet verpflichtet, könne er die Haftung bei der Durchführung des Sportunterrichts nicht auf Fälle der groben Fahrlässigkeit bzw. eines vorsätzlichen Verhaltens beschränken.