Streikrecht der Lehramtsreferendare

Mit der Verordnung vom 18.05.2002 über die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses hat sich der Freistaat Sachsen entschieden, die Ausbildung von Anwärtern und Referendaren in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis durchzuführen. Wegen der Streiks der Lehrerinnen und Lehrer stellt sich die Frage, ob Referendare streiken können. Im Ergebnis ist festzustellen, dass Referendare vom Streikrecht nicht ausgenommen sind, da sich der Landesgesetzgeber ausdrücklich gegen die Fortführung der Ausbildung im Beamtenverhältnis entschieden hat.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 22 SächsBG. In § 3 Abs. 1 der Verordnung wird bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Anwärter und Referendare nach den Vorgaben für die Beamten auf Widerruf im Sächsischen Beamtengesetz mit Ausnahme der §§ 70, 100, 102 und 107 SächsBG bestimmen. Danach erhalten Referendare und Anwärter u.a. keine Besoldung sowie Beihilfen und sind von den beamtenrechtlichen Bestimmungen über den Mutterschutz und die Elternzeit ausgenommen. Das Ausbildungsverhältnis ist der Sozialversicherungspflicht unterworfen. Für Beamtinnen und Beamte wird davon ausgegangen, dass sie nicht streiken dürfen (BVerfG 8, 1, 17; 19, 303, 322). Als Rechtsgrundlage hierfür wird die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Beamtinnen und Beamten angenommen (BVerwGE 73, 97, 102). Zurückzuführen soll das Streikverbot der Beamtinnen und Beamten auf Artikel 33 Abs. 5 GG in der Form eines hergebrachten Grundsatzes des Beamtenrechts sein (BVerfGE 8,17; 44, 264; Battis, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 33 Rn. 73).

 

Für Anwärter und Referendare kommt das Streikverbot damit nicht zur Anwendung. Anwärter und Referendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis unterfallen nicht Art. 33 Abs. 5 GG. Der Landesgesetzgeber hat mit § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsBG ausdrücklich festgestellt, dass die Ausbildung in einem Ausbildungsverhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses durchgeführt wird. Die Begründung zum Entwurf der Verordnung zum öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis zeigt zudem, dass (nur) „soweit wie möglich“ auf die für Beamte auf Widerruf geltenden Regelungen zurückgegriffen werden sollte. Zudem wurde die dem Beamtenverhältnis typische Verantwortung des Staates für die Beamten ausgeschlossen. Anwärter und Referendare erhalten keine Beihilfe und Besoldung. Zudem werden eine Mehrzahl arbeitsrechtlicher Normen für anwendbar erklärt. Das Ausbildungsverhältnis wird der gesetzlichen Sozialversicherung unterworfen und eine dem Bereich der Arbeitnehmer entsprechende Entgeltstruktur nachgebildet. Die Einbeziehung der Anwärter und Referendare die Sozialversicherung zeigt, dass der Staat auf die dem Beamtenverhältnis typische Absicherung der Referendare verzichtet. Ist das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers aber nicht als Beamtenverhältnis ausgestaltet, fehlt es an den wechselseitigen Pflichten, kann unter allen denkbaren Gesichtspunkten das Streikverbot nicht zur Anwendung kommen. Im Ergebnis steht es daher auch den Lehramtsreferendaren frei, im Rahmen der Betätigung nach Artikel 9 Abs. 3 GG das Streikrecht auszuüben.

 

Dem Freistaat Sachsen ist es verwehrt, Referendare und Anwärter auf bestreikten Arbeitsplätzen ohne gesetzliche Regelung einzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 02.03.1993 (1 BvR 12/85) entschieden, dass der Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen einer gesetzlichen Regelung bedarf. Eine Rechtsgrundalge hierfür wurde nicht geschaffen. Insbesondere ist eine solche Rechtsgrundlage nicht Gegenstand der Verordnung zum öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Soweit Lehrerinnen und Lehrer Arbeitsplätze bestreiken, ist es dem Freistaat Sachsen mithin verwehrt, diese Arbeitsplätze durch Referendare und Anwärter vertreten zu lassen.