Online-Hochschulwahlen ungültig

Mit Urteilen vom 25.03.2021 – 4 KO 395/19 u.a. hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht die Onlinewahlen in den Jahren 2014 ff. an der Friedrich-Schiller-Universität Jena für unwirksam erklärt.

Heute sind Onlinewahlen an Hochschulen keine Seltenheit mehr. Als sich die Friedrich-Schiller-Universität Jena entschieden hat, diese Form der Wahl einzuführen, war dies ein Ausnahmefall.

 

Welche Anforderungen bei einer solchen Wahl erfüllt sein müssen, war von Beginn an streitig. Letztlich geht es um die Frage, ob eine Onlinewahl überhaupt mit den Wahlgrundsätzen vereinbar ist und ob die Einführung einer gesetzlichen Entscheidung bedarf Nachdem das Thüringer Oberverwaltungsgericht bereits 2013 einem Normenkontrollantrag stattgegeben hatte, passte die Hochschule ihre Wahlordnung zwar an. Streitig blieb, ob diese nach der geänderten Wahlordnung durchgeführten Wahl ungültig waren.

 

Viele Jahre hat es gedauert – nun steht fest, dass die Hochschulwahlen 2014 ff. an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ungültig waren.

 

Für die Hochschule vorteilhaft nimmt das Thüringer Oberverwaltungsgericht an, dass der Thüringer Gesetzgeber die Entscheidung über die Durchführung von Onlinewahlen den Hochschulen übertragen habe. Die strengen Anforderungen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Parlamentsvorbehalt seien nicht übertragbar. Es reiche aus, wenn der Gesetzgeber die Wahlgrundsätze vorgebe und im Übrigen den Hochschulen im Rahmen der Satzungsautonomie die Ausgestaltung überlasse. Nach der Auffassung des Thüringer Oberverwaltungsgerichtes müsse der Gesetzgeber die Möglichkeit der Onlinewahl nicht ausdrücklich vorsehen. Ausgeschlossen habe er die Onlinewahl nicht.

 

Eine Onlinewahl könne grundsätzlich auch mit den Wahlgrundsätzen einer freien, geheimen und öffentlichen Wahl vereinbar sein, obwohl diese beschränkt werden. Dies ergebe sich schon daraus, dass kollidierende Rechte zu einer Beschränkung führen könnten. Neben der Wissenschaftsfreiheit wird auf die Wahlbeteiligung aber auch die Effizienz der Wahl abgestellt.

 

Mit dem Grundsatz der geheimen Wahl sei es vereinbar, wenn die IP ganz kurz während des Wahlvorgangs verarbeitet werde und ggf. die Möglichkeit der Wahrnehmung der Abstimmung durch Dritte bestünde. Die Ermittlung des Ergebnisses der Wahl durch einen Verarbeitungsvorgang sei mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl vereinbar. Die Beschränkung sei zulässig und für die Umsetzung der Onlinewahl erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes müssten die Kontrolle der eigenen Wahlhandlung und der Stimmabgabe kontrollierbar sein. Dies wäre der Fall. Es sei ausreichend, dass das technische System die Wahl reproduzierbar mache. Dies müsse auch durch die Satzung nicht weitergehend ausgestaltet werden. Streitig war, wie dies durch die Satzung zu regeln ist und ob es überhaupt denkbar ist, einen Auszählungsprozess ohne nachzählbare „Einzelstimmen“ zu gestalten. Ob das System dann letztlich die Reproduzierbarkeit sichere, sei eine Frage des Einzelfalls und wäre zu prüfen.

 

Die Wahlordnung sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, weil die Satzung selbst Vorgaben für die Einhaltung der Wahlgrundsätze machen müsse. Dies gelte insbesondere für das Authentifizierungsverfahren. Hier regele die Satzung weder das Verfahren noch, wer die Entscheidung zum Verfahren treffe. Diese Entscheidung könne unabhängig hiervon nicht dem Wahlvorstand oder der Wahlleitung übertragen werden. Die Regelung müsse durch die Satzung selbst getroffen werden. Dem Senat der Hochschule komme insofern ein Beurteilungsspielraum zu. Es sei nicht Sache des Gerichtes, ein bestimmtes Schutzniveau zu definieren. Soweit die Satzung auf das Schutzprofil des BSI verweise, enthalte dieses keine Regelung. Zudem verweise das Schutzprofil ausdrücklich darauf, dass der Wahlveranstalter eine Entscheidung (unter Berücksichtigung der konkreten Situation) zu treffen habe. Hieran fehle es.

 

Mit dem Grundsatz der geheimen Wahl und dem Grundsatz der Selbstorganschaft sei es unvereinbar, dass die Satzung Regelungen über die Hinzuziehung Dritter nicht enthalte. Grundsätzlich sei es Sache der Hochschule, mit eigenen Mitteln und eigenem Personal auch eine Onlinewahl durchzuführen. Würden Dritte ohne gesetzliche Grundlage und außerhalb der Verwaltungshilfe eingebunden, erfordere dies jedenfalls eine Regelung durch die Satzung. So müsse normativ gesichert werden, dass Dritte der Geheimhaltung verpflichtet werden. Da die Wahl unter Beteiligung von Mitarbeitern eines Unternehmens und zumindest teilweise auf deren Infrastruktur stattfinde, liege mehr als eine bloße Hilfe vor.

 

Auch fehle es bisher an einer Verpflichtung der Wähler, vor der Onlinestimmabgabe zu versichern, dass die Stimme persönlich abgegeben wurde. Wenn die Wahl es den Wählenden übertrage, in ihrem Bereich für die Wahrung des Wahlgeheimnisses und der Wahlfreiheit Sorge zu tragen, müsse dem Risiko der Beeinträchtigung der Wahl durch die Anwesenheit Dritter Rechnung getragen werden. In Übertragung der Grundsätze, die zur Briefwahl entwickelt wurden, sei daher eine Erklärung der Wählenden geboten.

 

Ob das von der Hochschule eingesetzte Wahlsystem selbst den Vorgaben der Wahlordnung gerecht wird, wurde nicht mehr entschieden, da die Ungültigkeit bereits aus anderem Grund feststand.